Jugendwerkhof

Wenn die Linie nicht passt

Thomas, Oktober 2025

Er steht da, dieser Komplex im kleinen Ort Bräunsdorf, verborgen hinter hohen Tannen – ein Schloss, das in sich viele Schichten trägt. Ein Ort, an dem Hoffnung und Disziplin nebeneinander wohnten, an dem Kindheit ein anderes Gesicht hatte. Heute ist er still. Nur der Wind, der durch zerbrochene Fenster pfeift, erzählt noch Geschichten.

Der Jugendwerkhof Bräunsdorf war einer jener Orte, an denen die DDR versuchte, Menschen zu formen. Jugendliche, die als „schwererziehbar“ galten, sollten hier zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ werden. Was blieb, sind Erinnerungen – oft schwer, manchmal gebrochen, selten versöhnt.

Ein kurzer Blick in die Geschichte

1824 Gründung als Landeswaisenhaus für elternlose Kinder. Das Hauptgebäude entstand in klassizistischer Form, großzügig und doch zweckmäßig.
1890 – 1945 Umwandlung in eine Erziehungsanstalt. In den späteren Jahren zunehmend für „schwierige“ Jugendliche genutzt. Strenge, Arbeit und Gehorsam waren zentrale Begriffe.
1949 – 1990 Als Jugendwerkhof Bräunsdorf Teil des DDR-Systems der Heimerziehung. Hier wurden Jugendliche untergebracht, die als „nicht angepasst“ galten – oft unfreiwillig. Es herrschten Disziplin, Kontrolle und Zwangsarbeit.
Nach 1990 Die Einrichtung wurde geschlossen. Teile des Gebäudes verfielen, andere dienten kurzzeitig als Unterkunft. Heute steht die Anlage leer und verfällt weiter – ein Ort des Schweigens.

Wer durch die Flure geht, sieht die Spuren der Jahrzehnte: verrostete Heizkörper, verblasste Parolen an den Wänden, eingeritzte Initialen in Holz. Ein Ort, der nicht vergessen werden will – und doch fast vergessen ist.

Es ist schwer, hier zu stehen und zu glauben, dass dies einmal ein Zuhause sein sollte. Die Natur holt sich alles zurück, die Mauern atmen Staub. Und dennoch: Zwischen den Rissen liegt Erinnerung. Vielleicht nicht an Kindheit – aber an das, was sie hätte sein können.

– Thomas