Kyselka
Von allen guten Wassern verlassen
Kyselka ist eine jener Kurorte, die, anders als ihre berühmteren Nachbarn, nicht auf Postkarten triumphiert, sondern sich in Falten gelegt haben — Falten aus Stein, Wasserleitungen und unterbrochenen Versprechen. Wer heute ins Tal fährt, begegnet nicht allein einer Sammlung verfallener Pavillons; man begegnet der Geschichte des Wassers, seiner Kommerzialisierung und den kleinen Tyranneien der Zeit.
Die Quelle selbst, die Kyselka, ist alt — urkundlich zumindest seit dem 16. Jahrhundert bekannt — und doch begann die eigentliche Geschichte erst, als Unternehmer kamen, die verstanden, wie man Wasser in Marke verwandelt. Heinrich Mattoni, Name und Maschine zugleich, mietete die Quellen an und machte aus einem stillen Ort ein Mineralwasser-Imperium: Flaschen, Etiketten, Expansion. Unter seiner Hand und in jener Zeit entstanden Villen, Pavillons und Bäder, die dem Tal eine schöne, fast absurde Würde verliehen.
Was Mattoni schuf, war zweigleisig: Bäderkultur und Industrie. Man konnte im Morgennebel auf die Kolonnaden treten, ein Glas nehmen und zugleich beobachten, wie Landwirtschaft und Fabrikation das Tal bewegten. Kyselka war kein reines Kurideal — es war ein Ort, an dem Luxus und Flaschenproduktion nahe beieinanderlagen, und genau diese Nähe machte seine Geschichte kompliziert und reizvoll.
Der Aufstieg hielt lange an. Reisende, Adelige und Monarchen ließen sich das Wasser bringen; ein Brunnen wurde gar nach König Otto benannt, dessen Besuch zur lokalen Anekdote wurde. Doch wie so oft endete die ruhmreiche Phase nicht mit einem dramatischen Schlusspunkt, sondern mit einer Serie administrativer Missverständnisse und Eigentumswechsel: Kriegsfolgen, Enteignungen, staatliche Nutzung, und schließlich die chaotische Privatverwertung der frühen 1990er Jahre. Diese Phase, in der das Erbe in Gutscheine und Inkubatoren der Privatisierung zerdrückt wurde, bedeutete für Bauten und Quellen mehr Zerstörung als jede Epidemie.
In den Jahren nach 1990 wurden Pavillons geschlossen, Dächer durchstochen, Leitungen abgerissen — nicht immer aus krimineller Absicht, oft aus Dummheit, aus Profitkalkül oder aus dem blanken Missverständnis, dass ein historisches Ensemble leichter zu ersetzen sei als zu bewahren. Die Situation wurde zu einem archetypischen Fall für Denkmalschützer: hier kollidierte kultureller Wert mit industriellen Interessen, und die Rechnung zahlte die Architektur. }
Doch die Geschichte ist nicht nur eine Chronik des Verfalls. Seit den 2010er Jahren regt sich Widerstand und, zaghaft, Wiederaufbau: lokale Initiativen, eine Stiftung und das Engagement der Mattoni-Familie (Mattoni 1873) haben begonnen, ausgewählte Gebäude zu sichern und Schritt für Schritt zu restaurieren. Pavillons wurden angepackt, das Gelände freigeräumt, und man spricht wieder vom Park, von den Wasserläufen und von einer möglichen Wiederbelebung des historischen Ensembles — wenn auch in reduzierter, geduldiger Form.
Was bleibt also für den Beobachter? Kyselka ist ein Lehrstück: Wie aus Quellen Kapital wird, wie Kapital Landschaft formt, und wie Landschaft, eines Tages, das Recht einfordert, wieder sichtbar zu sein. Wer dort geht, sieht Mattoni-Villen mit frisch gesicherten Dächern und gegenüber davon Ruinen, die noch nach der Apotheke der Moderne riechen. Man kann Zorn fühlen — auf die Gier und auf das Taktieren mit dem kulturellen Gedächtnis — aber auch Verständnis: Restaurieren kostet Zeit, Geld und die Bereitschaft, ein kulturelles Projekt ohne sofortigen Profit zu denken.
Und doch, wenn man sich an einen der Reste setzt, das Wasser in den Händen, hört man vielleicht das Unwahrscheinliche: die Idee, dass so etwas wie Geduld in der Stadt des Flaschenwassers wieder eine Rolle spielen könnte. Kyselka ist kein großes Theater mehr; es ist ein Museum in Bewegung, manchmal gebrechlich, manchmal zäh. Für den, der zuhört, erzählt es vom langen Handel zwischen Mensch und Natur — und davon, wie eng Geschichte und Marktentwicklung miteinander verknüpft sein können.
- 16. Jh. Erste schriftliche Erwähnung der Kyselka-Quelle.
- 19. Jh. Ausbau der Bäderbauten; Beginn kommerzieller Abfüllung und Entwicklung unter lokalen Eigentümern.
- 1867–1873 Heinrich Mattoni übernimmt Quellen und beginnt mit großem Ausbau; Kyselka wird Teil des Mattoni-Erbes.
- 20. Jh. Nutzung durch Staat, Kriegs- und Nachkriegsphasen, wechselnde Eigentumsverhältnisse.
- 1990er Chaotische Privatisierung; langfristiger Verfall vieler Bauten.
- 2010er–heute Initiativen zur Sicherung und teilweisen Restaurierung; Engagement von Mattoni-Stiftungen und lokalen NGOs.
– Dashwood


