Villa bei Kriebstein

Stille

Lotti, November, 2025

Unterhalb der Burg Kriebstein, dort, wo der Fluss die Stille einrahmt, steht – oder vielmehr: steht noch – eine Villa. Kaum zu glauben, dass sie einst zu den feineren Häusern gehörte. Heute schaut sie mit gebrochenen Fenstern auf das Wasser, als würde sie sich für ihre eigene Geschichte schämen.

Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich sie fand. Drei Aufnahmen sind geblieben – verschwommene, graue Zeugen eines Ortes, der sich nicht zeigen wollte. Es war, als würde er sich verbergen, um nicht weiter verletzt zu werden. Das Holz war morsch, die Farbe längst fort. Nur ein Rest von Stuck an der Decke, wie das verblasste Gedächtnis eines besseren Lebens.

In der Nähe rauscht der Fluss, und die Burg Kriebstein erhebt sich darüber – stolz, fast überheblich. Sie hat Jahrhunderte überstanden, während die kleine Villa unten verging. Vielleicht war sie einst das Zuhause eines Verwalters, vielleicht eines Träumers. Jetzt ist sie nur noch eine Hülle, eine Ahnung, ein Echo.

Und doch – wenn man dort steht, spürt man, dass sie etwas wusste. Von Festen, von Stimmen, von Musik, die unter der Decke zitterte. Nun hallt dort nur noch das Tropfen von Regen, und zwischen den Rissen der Wände scheint etwas zu lauschen – vielleicht das Haus selbst, das nicht vergessen will.

Man sagt, sie stehe im Schatten der Burg – und vielleicht ist das wahr. Tief unten, am Fuß des steilen Felsens, wo einst das Rauschen der Papiermaschinen durch das Tal zog, liegt sie noch: die alte Villa. Ihre Mauern tragen das Grau vergangener Jahrzehnte, ihre Fenster sind leer, als hätten sie das Sehen verlernt. Ich erinnere mich an die kühle Luft, die aus dem Inneren wehte, süß und dumpf zugleich, wie vergessene Tinte auf Papier. Es war, als würde die Zeit dort stehen bleiben, um ein letztes Mal zu atmen. Von den Decken hängt kein Stuck mehr, nur noch Spuren, die sich gegen das Licht stemmen. Draußen, durch die geborstenen Scheiben, glitzert das Wasser der Zschopau – und darüber thront die Burg, ungerührt, als hätte sie das alles schon tausendmal gesehen. Vielleicht war dies einst ein Ort des Stolzes, ein Haus für jene, die etwas erschaffen wollten. Heute steht es da wie ein offenes Buch, dessen Seiten niemand mehr zu lesen wagt. – Lotti